Rassismus in der Modeindustrie

B&T STATEMENT PIECE l Wir müssen hin- nicht wegschauen: Alltagsrassismus ist in unserer Gesellschaft verankert. Es benötigt noch so viel Engagement und Einsatz, damit wir eines Tages in einer Welt ohne Rassismus leben können. 

Representation matters

Als Fair Fashion Label, deren Herzstück die Diversität unseres multinationalen Nähteams ist, haben wir uns bereits in der Vergangenheit immer wieder für Anti-Rassismus eingesetzt. Nicht nur über unsere tägliche Arbeit und das Sichtbarmachen unseres Produktionsteams, sondern auch über die Challenge #kritischeweiß_heiten, unser Anti-Rassismus Lexikon oder die Fashion and Race Database. Für uns ist das Thema elementar mit den Werten verbunden, die für uns ein faires, wertschätzendes Arbeiten möglich machen.

Auch wenn wir sicherlich nur dazu lernen können und die Auseinandersetzung als eine dauerhafte verstehen, sieht es im Gros der Mode- und Textilindustrie noch anders aus. Mit einem Blick auf die konventionelle Fashion Industrie stellen wir resigniert fest: BiPoC Models sind auf den großen Fashionshows dieser Welt, auf den Covern von Vogue, Elle und Co. sowie in Werbekampagnen wortwörtlich un-sichtbar. Oftmals hat es den Anschein, dass BiPoc Models aus „Exotik“-Gründen gebucht oder als „Aushängeschilder“ positioniert werden, ganz nach dem Motto „We care“. Auch bei den präsentierten Designer:innen lassen ethnische Vielfalt und Diversität zu wünschen übrig: Weniger als 10 Prozent der 146 Modedesigner:innen, die bei den großen Herbstmessen 2018 für die New York Fashion Week auftraten, waren Schwarz und nur 1.173 der insgesamt 7.608 Models.” Eine Homogenität, welche sich auch in den Medienhäusern und ihren Fashionredaktionen widerspiegelt. Insbesondere einflussreiche Führungspositionen erscheinen für BIPoC unerreichbar. Und somit auch die Möglichkeit, Partizipation und Wandel in der Branche von oben einzuleiten. Vier bis fünf Prozent der Journalist:innen haben beim Hörfunk und Fernsehen einen Migrationsvordergrund. Im Printbereich sieht es mit knapp zwei Prozent noch desaströser aus.“ konstatiert das Rosa Mag.

Die Modeindustrie hat ein strukturelles Rassismus Problem. Und: Es tut sich nichts! Bereits zur New York Fashion-Week 2013 hatten Naomi Campbell und Iman die Kampagne „Balance Diversity“ ins Leben gerufen. “We just want balance, end of story. I won’t do an all-black show, for instance, because it would be hypocritical given what I’ve stood for, for so long. Balanced inclusion.” Gemeinsam mit dem schwarzen Ex-Model Bethann Hardison hatte Campbell in einem offenen Brief an die Organisatoren der vier Modewochen (New York, London, Paris und Mailand) aufgelistet, wer weiße Modelpolitik betreibt und appelliert, sich gegen Rassismus einzusetzen. Eher erfolglos in Anbetracht der Zahlen von 2018. Auch Strichlisten, die bereits 2013 vom US-amerikanischen Internetportal Jezebel geführt wurden, konnten die mangelnde Repräsentation von BiPoC Models lediglich dokumentieren, nicht reformieren.

 

Fashion Modeindustrie Rassismus

Quelle: jezebel.com

 

Modebranche in Stagnation

Die Modebranche verharrt seit vielen Jahren in strukturell-rassistischen Mustern. Und wir fragen uns,  wie lange hoffnungsvolle, talentierte BiPoc Designer:innen, Journalist:innen oder Models wie Chanel Iman zu hören bekommen werden: “We already found one black girl.” Verantwortlich für die Dominanz der eurozentrischen Ästhetik ist der alles-überschattende „White Gaze“. Bücher, Filme, Bilder, Technologien und andere Formen von Kunst, Kultur und Medien sowie auch unsere Kleidung werden mehrheitlich explizit mit Blick auf eine weiße Leserschaft und hellhäutige Konsument:innen konzipiert. Die Welt wird aus dem Blick eines weißen Ethnozentrismus bewertet.

Überall müssen BIPoC feststellen, dass ihre Perspektive fehlt. Modemagazine geben Haarpflegetipps und empfehlen Beauty-Produkte, die für weiße Frauen, ihre Haarstrukturen und Hauttypen gemacht sind. Dieser Fokus auf eine weiße Zielgruppe sticht auch in Drogerien sofort ins Auge: so gibt es oft eine riesige Auswahl an Nude-Tönen im Vergleich zu dunkleren Farbnuancen. Wir finden: Es braucht mehr Vielfalt, Rücksicht und Distanzierung von einem schon viel zu lange beworbenen Schönheitsideal.

Die dreißigjährige Berlinerin Ciani-Sophia Hoeder ist Gründerin von RosaMag. Credits: RosaMag

Auch Ciani-Sophia Hoeder fand sich in keiner Modezeitschrift wieder. Das wollte sie ändern und eine Plattform explizit für BIPoC schaffen. Ein Traum, den sie mit RosaMag, dem ersten Online-Magazin für schwarze Frauen und Freund:innen verwirklicht hat. Die Plattform möchte schwarze Frauen empowern, sich selbst wertzuschätzen, ein Bewusstsein für die eigene Einzigartigkeit zu entwickeln, ist Inspirator und Aufklärer auf dem Gebiet „Rassismus“ zugleich. Vor allem wirkt Hoeder mit dem RosaMag einer exkludierenden Einseitigkeit entgegen und schafft eine Gemeinschaft, in der BIPoC keine Außenseiter, sondern die Hauptrollen spielen (in Zusammenhang mit diesem Artikel solltet ihr unbedingt hier und hier mal reinlesen).

Diversität ist kein Trendthema

Das Diversität kein Trend ist, sollte mittlerweile eigentlich jede:r verstanden haben, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Leider vollzieht sich der Prozess des Erwachens bei einigen Akteuren jedoch etwas langsamer. So auch bei Elle Germany, die in ihrer Novemberausgabe von 2019 unter dem Titel „Back to Black“ einen Shitstorm ausgelöst hatte. Nicht nur wurde der Zeitung unterstellt, “Schwarz” als Trendthema abzutun, ihr unterlief auch eine peinliche Verwechslung. Über den Steckbrief von Janaye Furman platzierte sie ein Foto des Models Naomi Chin Wing. Im Gesamtkontext ebenfalls unglücklich: Das Cover des Burda-Magazins ziert die blonde Dänin Gertrud Hegelund. Elle Germany entschuldigte sich später für die Vorfälle. Aber auch Prada, Gucci, H&M u.s.w. haben in der Vergangenheit in ihren Designs unüberlegt kolonialistische Bilder sowie rassistische Klischees transportiert, die in diesem Beitrag von thisisjanewayne sehr gut zusammengefasst sind.

Cover der viel kritisierten Novemberausgabe  von 2019 der Elle Germany mit Titel „Back to Black“; Credits: Burda

Bitter ist nur, dass einige Labels anscheinend einfach nicht aus ihrem Tiefschlaf erwachen wollen. Denn das würde auch bedeuten, zugunsten von besseren Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen für die Arbeiter:innen, die unsere Kleidung in Entwicklungsländern fertigen sowie durch das Einhalten von Umweltstandards und das Umstellen auf eine nachhaltige Produktion den eigenen Profit zu minimieren oder die Ausgaben steigern zu müssen. Dabei sollte sich eine anti-rassistische und ökologische Unternehmenspolitik verpflichtend durch die gesamte Lieferkette ziehen. Das bedeutet bei den meisten Modelabels allerdings noch eine Menge Arbeit. Hoffentlich weist das von vielen Seiten forcierte Lieferkettengesetz in die richtige Richtung – bewegungsunfähige, versteifte Unternehmen könnten es dringend gebrauchen.

Nachhaltigkeit – ein white-privilege Thema?

Es ist kein Geheimnis, dass die Modeindustrie – insbesondere die Fast Fashion Branche – auf der Ausbeutung von BIPOC-Menschen beruht: 80 Prozent der Textilarbeiter:innen weltweit sind Frauen, die große Mehrheit davon BIPoC. Die Fast Fashion Industrie beruht dabei auf einem zutiefst diskriminierenden und ausbeuterischen System. Die Globalisierung wird zur Gewinnsteigerung durch Billigproduktion im Ausland genutzt. Damit wir im globalen Norden günstig einkaufen können, werden laut Fashion Revolution nur 2% der Arbeiter:innen ein existenzsicherndes Arbeitsentgeld gezahlt – im Vergleich zu deutschen Standards ein Sandkorn. Menschenrechtsverstöße gehören zur Tagesordnung. Solange „diejenigen, die unsere Kleider machen, nicht dieselben Rechte und Privilegien zugestanden bekommen, wie diejenigen, welche sie tragen“, wird die Branche sich des Rassismus nicht entledigen, wird es zu keiner „nachhaltigen Fashion Revolution“ kommen.

Auch dem Thema Nachhaltigkeit kommt hier eine gewichtige Rolle zu. Gerade im Kontext von Fast Fashion Playern, die sich nachhaltiger aufstellen wollen, wird Nachhaltigkeit nicht selten von ihrer Beziehung zum Weißsein definiert. Nachhaltigkeit dient hier oft als Marketinginstrument, um eine Form von Mode zu verkaufen, die alles andere als das ist und bestehende strukturelle Ungleichheiten in Kauf nimmt. Interessant sind in diesem Zusammenhang kleinere Brands und Designer:innen, die durch die Konzentration auf Handwerkskunst und Gemeinschaft eine Zukunft aufzeigen, in der Mode sowohl wirkungsvoll als auch ethisch sein kann. Indem kleinere, BIPoc geführte Brands sich auf die Qualität der Produkte konzentrieren und traditionelle Praktiken einbeziehen, nutzen sie Nachhaltigkeit nicht als Marketinginstrument, um Produkte zu verkaufen, die immer noch trendorientiert sind, sondern schlagen eine langsamere, bewusstere Art zu konsumieren vor.

Take action

Es braucht ein Umdenken:  Nur wenn wir unsere Stimme erheben, können wir die strukturelle Benachteiligung von BiPoc, insbesondere in den Führungseliten, erhöhen. Können wir auf Missstände aufmerksam machen und den Druck (z.B. auf die Organisator:innen und Meinungsmacher:innen der Fashion Weeks) verstärken, können wir Plattformen wie RosaMag, „FA254“ und Co. mehr Gehör verschaffen und können dadurch unserer aller Horizont für mehr Vielfalt öffnen. Oh ja, wir KÖNNEN so viel…wir müssen es nur WOLLEN und vor allem: HANDELN. Gemeinsam schaffen wir das!

Titelbild: via Teen Vogue