B&T WE DESIGN SOCIETY l Ideen der Kreislaufwirtschaft wie Multi-Use, Zero Waste, Upcycling, Recycling oder Cradle-to Cradle sind für die Industrie verlockend. Sie werden derzeit als Lösungen für vorherrschende Umweltprobleme vorangetrieben. Doch die Vorstellung des ewigen Kreislauf, demzufolge Kleidung unendlich recycelt werden kann, verhindert keineswegs den steigenden Modekonsum mit all den bekannten Schäden für unsere Umwelt. Geht es nicht vielmehr um die Verlangsamung der Stoffströme, um langfristige, wirklich neue Designstrategien und nicht zuletzt um eine Wertschätzung der Materialien und Dinge, die uns umgeben?
Wie unterschiedlich nachhaltige Lösungsansätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie aussehen können, war Thema bei Cut Up#10 am 12. Juni 2018 mit Prof. Dr. Michael Braungart (Mitbegründer des Cradle-to-Cradle-Konzepts), Friederike von Wedel-Parlow (Direktorin des Beneficial Design Institute), Timo Perschke (Geschäftsführer Pyua) und Natascha von Hirschhausen (Designerin des Labels Natascha von Hirschhausen).
Transformationswirtschaft
Hochwertige Monomaterialen einzusetzen, deren Anbau und Verarbeitung in jedem Schritt nachvollzogen werden können, und beim Entwurf der Kleidungsstücke darauf zu achten, dass kein Verschnitt anfällt: Diesem Konzept folgt Modedesignerin Natascha von Hirschhausen. Transformationswirtschaft nennt sie den Ansatz, bei dem es darum geht, dass Kleidungsstücke von Beginn an gut durchdacht und qualitativ hochwertig gefertigt werden – um so die Umwelt zu schonen. Up- oder Recycling seinen keine langfristige Lösung im nachhaltigen Sinne, so von Hirschhausen, da sie den bestehenden Verbrauch und oftmals verschwenderischen Umgang mit Ressourcen zugrunde legen, ohne diesen aktiv verändern zu wollen.
Cradle-to-Cradle
Das Cradle-to-Cradle-Konzept von Michael Braungart greift den Gedanken in ähnlicher Weise auf. Nicht das Bestehende effizient zu gestalten sei die richtige Herangehensweise, sondern die nützliche Gestaltung der Dinge. Die aus heutiger Sicht oft propagierte Nachhaltigkeit sei kein zukunftsweisendes Konzept, so Braungart, vielmehr sei es wichtig, Innovationen zu fördern und ein umfassendes Verständnis von Qualität zu entwickeln. Bei der Produktion und im Verschnitt anfallender Abfall müsse daher schlichtweg als ein Qualitätsmangel angesehen werden. Rohstoffe müssten so genutzt werden, dass sie am Ende der produktgebundenen Lebenszeit Wiederverwendung in neuen Produkten finden können.
Adieu Langlebigkeit?
Ein in diesem Zusammenhang oft als Kriterium für Nachhaltigkeit diskutierter Begriff ist die Langlebigkeit von Kleidungsstücken. Doch ist es nachhaltig und zeitgemäß, dass Verbraucher ihre Kleidung tatsächlich bis zu deren Lebensende tragen? Friederike von Wedel-Parlow hält diesen Ansatz für überholt: Langlebigkeit sei kein realistisches Konzept. Eher gehe es darum, bei Kleidungsstücken in unterschiedlichen Nutzungszyklen zu denken. So könne etwa ein T-Shirt wesentlich schonender und umweltfreundlicher hergestellt werden, wenn Algen statt Baumwolle verwendet werden. Damit, so von Wedel-Parlow, sei das Produkt letztlich nachhaltiger – trotz seiner im Vergleich kürzeren Lebensdauer.
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Dann klickt auch doch mal in den Live-Stream des Abends hinein: Teil 1 & Teil 2.
CUT-UP ist ein Kooperationsprojekt von Bridge&Tunnel, designxport, Frauke von Jaruntowski und der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik. In der Diskursreihe werden über einen Zeitraum von zwei Jahren bis Ende 2018 Themen unter anderem aus dem Spektrum von Nachhaltigkeit, Fair Trade und Lieferkettentransparenz diskutiert. Mehr zur Reihe hier.