Ob online oder im Ladengeschäft: Konsument/innen haben sich längst an ein ständig wechselndes (Über)angebot gewöhnt. Wenn Hersteller und Händler mit immer neuen Kollektionen locken, wird „Shopping“ dabei oftmals zum Freizeitvergnügen – entkoppelt vom eigentlichen Bedarf. Woher dieser Überkonsum kommt und welche Folgen er hat – das war Thema am 6. Dezember 2018 bei unserer Diskursreihe CUT-UP.
Wenn junge Menschen einen Kleiderschrank haben, in dem nur 30 Kleidungsstücke liegen, nennen wir das neuerdings „Capsule Wardrobe“. Doch was Trendmagazine heute als neue Sparsamkeit loben, war vor ein paar Jahren noch ganz normal. Was also ist in der Zwischenzeit passiert? Zum Glück gibt es CUT UP, unsere Diskursreihe für nachhaltige Themen, zu der wir regelmäßig schlaue Menschen einladen, wenn uns die Antworten ausgehen. Bei Cut Up#11 waren das: Dr. Norbert Taubken (Geschäftsleiter Scholz & Friends Reputation), Silke Wawro (TU Dortmund, Künstlerin), Sandra Coy (Pressesprecherin Corporate Responsibility Tchibo) und Anna Schunck (Journalistin und Mitgründerin des Onlinemagazins VIERTEL VOR). Moderiert wurde die Runde von der Modedesignerin Irina Rohpeter.
Woher kommt das Begehren?
Die Industrie schaffe Begehrlichkeiten, zugleich verstärkten permanente Anreize durch Medien den Druck auf die Konsument/innen, so Anna Schunck. Silke Wawro wies darauf hin, dass ein großes Angebot günstiger Waren ausschlaggebend sei, denn Überkonsum sei für viele Menschen nur auf Grundlage eines niedrigen Preisniveaus möglich. Dies zeige sich insbesondere bei jüngeren Menschen. Auch fehlendes Bewusstsein sowie der Einfluss des sozialen Umfelds, das Konsum oftmals positiv interpretiere, spielen eine wesentliche Rolle, so Dr. Norbert Taubken.
Dennoch komme heute kaum noch ein Bekleidungsunternehmen am Thema Nachhaltigkeit vorbei, so Sandra Coy. Auch Konsument/innen seien zunehmend an den sozialen und ökologischen Aspekten der Produktion interessiert. Ihnen gegenüber sei es wichtig, den Begriff Nachhaltigkeit positiv zu besetzen, sie aber zugleich für die Komplexität des Konzepts zu sensibilisieren. Zur Strategie von Tchibo gehöre es daher, so Sandra Coy, auch über Projekte zu berichten, die nicht erfolgreich verlaufen seien.
Angebote wie Reparaturdienstleistungen oder Leih- und Tauschsysteme, umgesetzt von großen Bekleidungsmarken, finden ihre Nischen. Ob sich (Über-)Konsum auf diese Weise eindämmen lässt, bleibt jedoch fraglich. Die Wirtschaftlichkeit stehe jedenfalls nicht im Fokus, so Sandra Coy über das Projekt „Tchibo Share“, in dem das Unternehmen Kinderkleidung vermietet. Eine Möglichkeit, Kunden auf neue Konsumformen aufmerksam zu machen, bietet der noch junge Geschäftszweig aber allemal.
Volksware – wenn Begehren zum Label wird
Auch die Künstlerin Silke Wawro betonte, wie wichtig es sei, Konsumalternativen positiv zu konnotieren. Dies zeige sich zum Beispiel in ihren Schulprojekten, wenn Jugendliche Lieblingskleidungsstücke reparieren und abschließend mit einem besonderen Label versehen. So lasse sich der Fokus vom Konsum immer neuer Produkte auf die Wertschätzung vorhandener Dinge verschieben. Mit ihrem fiktiven Label Volksware hat Silke Wawro bereits vor 14 Jahren die Wertigkeit von Produkten thematisiert: Ihr Volksware Mantel ist aus Etiketten genäht, die aus 7.531 Kleidungsstücken herausgetrennt wurden. Die Etiketten stehen für einen exakten Wert von € 759.987,20. Und Silke Wawro ist sich sicher, das er sich zu genau diesem Preis irgendwann verkaufen wird. Für die Künstlerin ist der Mantel Ausdruck der verzweifelten Suche von Konsumenten nach dem individuellen Kleidungsstück, das gleichzeitig die Aura einer bekannten Marke verspricht.
Grundlegend sei es wichtig, darin waren sich die Podiumsgäste einig, einen öffentlichen Diskurs über das Thema Nachhaltigkeit zu etablieren. Und zwar immer und immer wieder. Und dabei immer und immer wieder neue Konsumalternativen aufzuzeigen. Denn erst wenn ein Verständnis UND die Akzeptanz von neuen Lösungsansätzen da seien, könne sich unser Konsumverhalten langfristig verändern. Da sind wir dabei, und ihr?
Ihr wollt mehr vom Abend erfahren? Den vollständigen Live Mitschnitt findet ihr hier.
CUT-UP ist eine Kooperation von Bridge&Tunnel, designxport, Frauke von Jaruntowski und der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik. In der Diskursreihe werden über einen Zeitraum von zwei Jahren Themen unter anderem aus dem Spektrum von Nachhaltigkeit, Fair Trade und Lieferkettentransparenz diskutiert.