B&T WE DESIGN SOCIETY l Am 26. Mai 2020 fand zum 8.Mal der Deutsche Diversity-Tag statt. Zu diesem Anlass hat XING uns gefragt, was Diversität für uns bedeutet. Wie wir Diversity in unserer Arbeitsalltag leben und warum bei uns eigentlich jeder Tag Diversity Day ist, lest ihr hier.
Warum Diversität so wichtig ist
Bei Bridge&Tunnel beschäftigen wir sieben zauberhafte Menschen, die nachhaltige, faire Denimprodukte herstellen. Sie stammen aus sechs Ländern, eine Mitarbeiterin ist gehörlos. Werkstattsprache ist bei uns Deutsch, doch oft kommunizieren wir im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füßen. Dabei kommt uns sicherlich zupass, dass man bei der Arbeit mit Textilien viel mit Gesten erklären kann und sich persönlich gegenübersteht, statt sich über Mails auszutauschen. Alle unsere Mitarbeiter*innen verbindet, dass sie aufgrund verschiedener Hemmnisse (Sprache, Qualifikation, Alter et cetera) keinen Job in Deutschland finden konnten, aber tolle kreative Fähigkeiten und Fertigkeiten aus ihren Heimatländern mitbringen. Nicht umsonst heißt unser Credo deshalb auch: Talent over diploma.
Diese vielseitige Mischung im Team war nicht bewusst geplant, sie kam im wahrsten Sinne des Wortes zu uns. Wir hatten 2015 von einem deutsch-türkischen Nähclub gehört, der sich einmal wöchentlich in einer Moschee zum Nähen traf. Wir haben die Frauen dann spontan eingeladen, ihren Nähtreff in unserer Werkstatt zu machen, den wir bislang als textilen Coworking-Space betrieben hatten. Als wir den Näherinnen bei ihrer Arbeit zusahen, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Fast alle Frauen waren handwerklich wahnsinnig begabt. Gleichzeitig wurde uns klar, dass nur die wenigsten von ihnen eine Ausbildung zur Schneiderin oder Näherin absolviert hatten, sondern vielmehr seit vielen Jahren arbeitslos waren. Da wurde uns bewusst, was es überhaupt für ein großes Glück ist, Arbeit zu haben. Und wie privilegiert es ist, zu sagen, dass Arbeit nervt. Nach diesem Erweckungsmoment wollten wir zeigen, welche Talente Menschen losgelöst von Zeugnissen mitbringen. Und haben unser Social-Fashion-Label Bridge & Tunnel gegründet.
Am motiviertesten ist, wer selbstbestimmt arbeiten kann
In unserem Team gibt es nur sehr flache Hierarchien. Das haben wir bewusst so aufgestellt, weil wir fest daran glauben, dass man am besten und motiviertesten arbeiten kann, wenn die eigene Arbeit so selbstbestimmt wie möglich ist. In unserer Textilproduktion arbeiten die Mitarbeiter/innen sehr eng zusammen. Es ist nicht so, dass eine Person ein einzelnes Produkt näht, sondern das passiert arbeitsteilig. Wir lieben den Blick über den Tellerrand, den unsere Mitarbeiter/innen dank ihrer unterschiedlichen kulturellen Herkunft mitbringen. Weil es ungemein erdet und den Horizont erweitert.
Wenn jemand Geburtstag hat oder wir Feste feiern, ersticken wir zum Beispiel in Essen. Das spielt eine riesengroße Rolle bei uns. Jede/r unserer Mitarbeiter/innen bringt dann gefühlt Essen für zehn Leute mit. Selbst zubereitete Speisen sind eine Form der Wertschätzung der Arbeit – und da wird dann eben aufgefahren wie bei einem orientalischen oder afrikanischen Familienfest. Obwohl der ein oder andere dieses Phänomen sicher auch von deutschen Familienfeiern kennt.
Wir besprechen Unterschiede, anstatt verständnislos den Kopf zu schütteln
Ungelernt war für uns zu Beginn das Thema Gehörlosigkeit. In der Werkstatt können wir uns einfach verständigen, auch weil unsere Mitarbeiterin von den Lippen lesen kann. Wenn es um Feedbackgespräche geht, holen wir uns aber immer eine Gebärdendolmetscherin an Bord. Am Anfang war es ungewohnt, über einen Dritten zu kommunizieren. Mittlerweile gehört es wie selbstverständlich dazu. Und es hat dazu geführt, dass wir alle jetzt einige Gebärden beherrschen, wer Lust hat mitzumachen, für den stellen wir in unregelmäßigen Abständen kleine Mini Tutorials mit unserer gehörlosen Näherin Svetlana bereit. So wie dieses kleine Video zu den Wochentagen:
https://youtu.be/qkg87e66xrc
Das ganze Team geht mit den individuellen Unterschieden in der Gruppe sehr entspannt um, wir kennen es ja nicht anders. Sei es das Thema Gebärdensprache oder manchmal wilde Übersetzungen, die unterschiedlichen Deutschkenntnissen entspringen, wir haben uns noch nie nicht verstanden.
Auch kulturelle Unterschiede sind bei uns eher Dinge, die wir lieber interessiert miteinander besprechen, als darüber verständnislos den Kopf zu schütteln. Jeder ist zum Beispiel einmal in der Woche Werkstattradio-DJ. Am meisten mögen wir es, wenn wir deutsche Sprichwörter erklären. Daran erkennt man oft, dass es wichtiger ist, Bestehendes zu hinterfragen, als es einfach als gegeben hinzunehmen.