Circular Economy ist seit einigen Jahren das Buzzword schlechthin, wenn es darum geht, die Nachhaltigkeit der Mode- und Textilindustrie zu diskutieren. Es klingt aber auch zu verlockend: eine Abwendung von der linearen Modeindustrie – also einer Mode, die einen Anfang (Produktion des Rohstoffs) und ein Ende (Vernichtung des Kleidungsstückes) hat – durch eine Variante zu ersetzen, die weder Anfang noch Ende hat, sondern immer und immer wieder zirkulieren kann. Aus der Linie wird also ein Kreis.
Die Frage ist nur: hält die Circular Economy ihr Versprechen eines echten Systemwandels oder ist sie aktuell nicht viel mehr als das Buzzword, das aktuell oft an der Grenze zu Greenwashing platziert wird?
Die Produktionsseite
Für uns ist Circular Fashion unweigerlich mit dem Thema Überproduktion und -konsum verbunden. Die Fast Fashion Industrie hat jede Menge Baustellen, das unfassbare Zuviel an Textilien ist eine Große davon. Und kommt in der Circular Fashion Debatte oft viel zu kurz.
Die weltweite Textilproduktion hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke werden jedes Jahr neu produziert (bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden). Allein die Deutschen kaufen im Schnitt 60 neue Teile pro Jahr. Dabei ist die Mode- und Textilindustrie ist ein echter Klimakiller und verursacht jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2 – mehr als internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Die Co2 Bilanz entsteht vor allem durch die langen Transportwege, die Weiterverarbeitungen an vielen verschiedenen Orten und die Gewinnung von Plastikfasern. Denn noch immer setzt die Modeindustrie sehr viel auf Plastikfasern, die wiederum aus Erdöl hergestellt werden. Ein Bericht der Global Fashion Agenda (2020) schätzt, dass sich die Emissionen der Modebranche bis 2030 mehr als verdoppeln werden (auf rund 2,7 Milliarden Tonnen pro Jahr), wenn sich nichts ändert.
Die Konsequenz?! Lässt natürlich nicht lange auf sich warten. Im Schnitt sortiert jede und jeder Deutsche 15 Kilogramm Kleidung pro Jahr aus. Insgesamt 1 Million Tonnen Altkleider kommen damit allein in Deutschland jedes Jahr zusammen. Das entspricht etwa einer LKW Schlange von Flensburg bis nach Salzburg. Die Qualität an Altkleidern, die in den Container landet, hat sich dabei so rapide verschlechtert, dass Hamburg z.B. im vergangenen Jahr seine öffentlichen Altkleidercontainer abgebaut hat (Mehr dazu in unserer Talk Slow Podcastfolge 009 zum Thema Alttextilien mit Thomas Ahlmann vom Dachverband FairWertung).
Die Konsumptionsseite
Neben der Produktionsseite müssen wir aber unbedingt auch über die Konsumptionsseite sprechen. Hand in Hand mit Überproduktion geht der Überkonsum. Und während viele globale Modemarken mittlerweile für Kreislaufwirtschaft werben, zeigt die Realität, dass diese immer noch ein Mythos ist.
Das nimmt mittlerweile so gigantische Ausmaße an, das uns immer ganz schlecht wird. In Chile kommen jedes Jahr etwa so viele Tausende Tonnen an Second-Hand-Klamotten an, die nicht mehr verwertet werden können, das mittlerweile ein gigantischer Kleiderberg in der Atacama Wüste wächst. Greenpeace war kürzlich für eine Recherche zum Thema Textilmüll aus Übersee in Ostafrika unterwegs und hat einen Abschnitt des Nairobi-Flusses gefunden, der derart voll mit weggeworfener Kleidung war, dass man darin stehen konnte (Mehr dazu hört ihr in unserem Fashion Alert mit Viola Wohlgemuth von Greenpeace).
Wir konsumieren also nicht nur viel zu viel. Die Qualität der Kleidungsstücke ist durch unsere Wergwerfmentalität und den hohen Polyesteranteil (und andere Synthetikfasern) mittlerweile so schlecht, dass sie weder weiterverarbeitet noch neu versponnen werden kann.
Ist Bridge&Tunnel jetzt also ein zirkuläres Fashionlabel?
Mit Bridge&Tunnel möchten wir einen Beitrag gegen diesen Missstand leisten: gegen die Wegwerfmentalität – für mehr Ressourcenschutz. Gegen lineare Modekonzepte – für mehr kreislauffähige Konzepte.
Auch wenn uns dabei 2 Dinge sehr klar sind:
- Bridge&Tunnel ist KEIN zirkuläres Fashion Unternehmen, wir sind gewissermaßen ein Halbkreis auf dem Weg hin zu einer kreislauffähigen Mode, da wir dazu beitragen den Lebenszyklus von Textilien zu verlängern. Und uns dabei für ein Konzept von degrowth stark machen, bei dem es darum geht, die Ziele von Zirkularität – weniger CO2 Emissionen und weniger Textilmüll – zu erreichen. Und zuletzt den Diskurs (wie auch in unserem Talk Slow Podcast) zu stärken, anders über Modeproduktion und -konsum nachzudenken.
- Für uns hat ein echter systemischer Wandel der Mode- und Textilindustrie auch immer und unweigerlich mit einem sozialen Verständnis von Nachhaltigkeit zu tun. Beide Aspekte – ökologische und soziale Nachhaltigkeit – verbinden wir mit unserem Label Bridge&Tunnel.
In unserer eigens aufgebauten lokalen Produktion in Hamburg arbeiten nur Menschen, die es aus verschiedenen Gründen schwer hatten, auf dem 1.Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Aber fantastisch nähen können. Bei uns können sie ihr Talent professionalisieren. Alle unsere Designs entstehen zudem aus post- und pre-consumerwaste. Für unser eigenes Label ist das vorrangig aus Denim, für B2B Partner:innen verarbeiten wir viele andere Materialien, die in den jeweiligen Unternehmen als Reste anfallen. So geben wir seit nunmehr 6 Jahren Talenten aus aller Welt einen erfüllenden Job mit Anerkennung und vermeintlichen Textilresten ein neues Leben in style gibt.
Ihr wollt mehr über Circular Fashion erfahren? Dann legen wir euch unsere Talk Slow Podcastfolge 013 mit Ina Budde von Circular.Fashion sehr ans Herz sowie diesen spannenden Artikel der Fashion Changers (Teil der Fashion Changers Membership).